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Motorisches Lernen durch Spiel, Spaß und robotikgestützte Bewegungstherapie

Die 5-jährige gebürtige Ukrainerin Kira leidet durch Infantile Cerebralparese an Lähmungen vor allem ihrer Beine. Durch eine 5-tägige Intensivtherapie konnte sie ihr Gleichgewicht und Gehfähigkeit verbessern.

Kira trainiert mit dem Gangtrainer PerPedes
Kira trainiert mit dem Gangtrainer PerPedes

Die 5-jährige Kira leidet an Infantiler Cerebralparese. Sie kam als Frühchen in der 30. Schwangerschaftswoche zur Welt. In dieser Phase der Schwangerschaft ist das Gehirn noch nicht vollständig entwickelt und daher kam es zu Hirnschädigungen mit einer bilateralen Lähmung der Beine (Diplegie) als Diagnose.

Kira lebte bis März 2022 mit ihren Eltern in der Ukraine und erhielt dort regelmäßige physiotherapeutische und tägliche Förderung durch die Eltern zur Unterstützung der motorischen Entwicklung. Kiras Mama ist bezüglich Handling in der Therapie sehr gut geschult und kann Kira optimal unterstützen. Durch den Angriffskrieg in der Ukraine und den damit verbundenen Umzug nach Österreich war die Förderung von Kira erstmal hintenangestellt. Im März dieses Jahres ist die Familie nach Österreich gekommen, wo Kira nun den Kindergarten besucht.

Kira kann mit Unterstützung gehen, braucht aber zum Halten der Balance der Körpermitte Hilfe am Becken oder Oberkörper. Mit 4-Punktstöcken kann sie allein gehen, lehnt dabei aber ihren Oberkörper sehr weit nach vorne. Dadurch hat sie die Tendenz nach vorne zu fallen. Der Rhythmus der Beine beim Gehen ist aufgrund dieser instabilen Situation verlangsamt und das Setzen der Schritte nur sehr schwer möglich.


In unserem Therapiezentrum in Graz hat Kira 5 Tage lang täglich 4 Stunden trainiert und am 6. Tag zum Abschluss noch mal 2 Stunden. Die Physiotherapeutin kombinierten das Üben an und mit unseren hochspezialisierten computer- und robotikgestützten Therapiegeräten mit konventioneller Physiotherapie im Bereich der Pädiatrie.


Kira ist ein offenes und interessiertes Mädchen, das sofort viele Dinge ausprobiert und ohne Scheu mit unseren Therapiegeräten trainiert. Die sprachliche Barriere war zu Beginn zwar ein kleines Hindernis, was durch die Übersetzungen durch Kiras Mama schnell gelöst werden konnte.


Fokus: Stehen und Gehen

Der Schwerpunkt der Intensivtherapie war das Üben im Stehen zur Verbesserung des Gleichgewichts und der Oberkörperkontrolle im Stehen. Für das Stehen ist außerdem die Kraft der Rücken- und Bauchmuskulatur, sowie Becken- und Hüftstabilisatoren essenziell. Um gut Stehen und Gehen zu können, ist es wichtig, dass die Beine und Füße einen guten Bodenkontakt haben und die Beine gerade gehalten werden können. Kira kommt beim Stehen immer wieder in die Position, in der sie die Knie gebeugt und nach innen gezogen hält, was ihr das Stehen und Gehen erschwert. Oft steigt sie auch nicht mit der Ferse zuerst am Boden auf, was auf eine angespannte Wadenmuskulatur hindeutet. In Kombination mit der Gewichtsverlagerung nach vorne, fällt es ihr schwer so die Fersen am Boden aufzustellen.


Kira übte täglich auf unserem robotikgestützen Gangtrainer PerPedes, der das menschliche Gangmuster detailgetreu nacherzeugt. Dabei wird das Gangmuster individuell an Kira angepasst und eine Teilentlastung durchgeführt. Sie liebte es in dem Gurt zu hängen, zu schaukeln und zu fliegen. Diese Motivation konnten wir gut nutzen, um im PerPedes zu trainieren. Kira konnte so über viele Wiederholungen gezeigt werden, wie das Gehen funktioniert, ohne dass sie das Gleichgewicht verliert, da sie durch das Gurtsystem gut gestützt werden konnte. Mit jedem Tag konnte sie mehr Gewicht selbst übernehmen und schaffte es immer länger durchzuhalten. Sie hat mit ca. 10 Minuten begonnen und zum Schluss schaffte sie 30 Minuten ohne Pause zu gehen. Die vielen Wiederholungen im Gangtrainer führten auch dazu, dass sie ihre Beine besser spürt und dadurch den Wechsel zwischen Standbein- und Schwungbeinphase dynamischer ansteuern kann.



Um die Balance des Oberkörpers in höheren Ausgangspositionen zu schulen, übte die Physiotherapeutin mit Kira sehr viel am Boden in allen möglichen Ausgangspositionen und vor allem im Kniestand. In dieser Position konnte sie das Becken und den Oberkörper balancieren, ohne auch noch die Beine halten zu müssen. Schnell verwandelte sich unser Therapieraum in ein Meer und unsere Therapieliege in das Schiff, auf dem es galt, nicht ins Wasser zu fallen. Kira hat eine große Fantasie und lässt sich immer wieder auf die verschiedenen Spielideen ein. Zum Abschluss konnte Kira schon 20 Sekunden ohne sich festzuhalten auf den Knien stehen.


Kira übt den Kniestand
Kira übt den Kniestand

Außerdem übte Kira mit der Physiotherapeutin immer wieder das Aufstehen vom Boden über den Beinkniestand, das Krabbeln am Boden, das Steigen auf kleine Stufen und kleine Leitern. Hier verwandelte sich unser Therapieraum in eine Eislandschaft, wo Pinguine sich zu Hause fühlen können. Oder wir falteten im Stehen Papierflieger und flitzten damit durch den Raum. Kiras Fantasie und Freude an diesen Spielen waren keine Grenzen gesetzt. Durch diese spielerische Herangehensweise können wir die Freude und Motivation zur Bewegung optimal steigern. Nur durch Spaß und ein Umfeld zum Wohlfühlen ist motorische Entwicklung optimal möglich.



Zu Beginn der Therapie konnte Kira ca. 1 Minute aufrecht abgestützt am Tisch stehen, bevor die Knie zusammengezogen und gebeugt gehalten wurden. Durch viele Übungen in verschiedenen Stehpositionen, auch auf wackeligen Untergründen mit den Therapiegeräten „Tymo“ und „Pablo“ konnte die Ausdauer und Kraft der aufrichtenden Muskulatur deutlich gesteigert werden. Zum Schluss konnten wir schon mehrere Spielrunden am Stück ohne Pause durchführen. Kiras Mutter nimmt sich diese Stehposition an einem niedrigen Tisch für zuhause mit, um Kira weiterhin im Stehen fördern zu können.


Da Kira schnell ermüdete und Pausen brauchte nutzten wir diese Zeit vermehrt für die Wahrnehmungsschulung der Hände und Füße durch Massagen mit und ohne Vibrationsrolle, die Mobilisation der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke, der Dehnung der verkürzten Muskulatur der Beine und der der Entspannung der verkrampften Muskulatur der Waden und Füße.


Am Omego, unserem robotikgestützten Gangphasentrainer übte Kira mit der Physiotherapeutin die Beine selektiv anzusteuern. Das bedeutet, dass ein Bein streckt und stabil steht, während das andere beugt und beim Gehen nach vorne schwingt. Durch diese Übungen können wir auch erreichen, dass die Kraft der Oberschenkel gesteigert wird.



Ein weiterer Fokus lag auf dem symmetrischen Einsatz beider Hände und auf dem Üben von feinmotorischen Handlungen. Über das Ballspielen mit verschiedenen Bällen in verschiedenen Positionen und den Einsatz unserer Therapiegeräte "Amadeo" und Pablo war es möglich auch den Einsatz der oberen Extremität zu schulen. Immer wieder wollte sie auch dem Ball hinterhergehen, was wir nutzen um möglichst viel, auf verschiedenen Untergründen zu gehen.



Ein Sportfest für Kira

Um objektiv bewerten zu können, ob unsere Patienten:innen Fortschritte machen, führen wir jedes Mal eine genaue Anfangs- und Enduntersuchung durch. Um Kira zu motivieren und die Assessments kindgerecht durchzuführen, haben wir mit Kira am Ende der Therapie ein kleines Sportfest mit eigenem Stempelpass und ukrainischer Urkunde veranstaltet.


Timed „Up and Go“-Test

Der Timed „Up and Go“-Test wird zur Beurteilung der Mobilität der Patienten:innen genutzt. Die Patienten:innen sitzen dabei auf einem Stuhl und werden aufgefordert aufzustehen, 3 Meter zu gehen, umzukehren und sich wieder zu setzen. Dabei wird die Zeit gemessen.

Beim Sportfest schaffte Kira die Strecke in einer Zeit von 24 Sekunden. Zum Halten der Balance unterstützte sie dabei Kiras Mama am Becken. Zu Beginn der Woche brauchte Kira dafür deutlich länger und war viel unsicherer unterwegs.


Krafttestung

Die Kraftmessung der Beine wird in sitzender Position auf unserem Gangphasentrainer Omego durchgeführt. Jedes Bein wird separat auf seine maximale Kraft getestet.


Die Zahlen zeigen deutlich: Kira hat durch die Intensivtherapie ihre Beinkraft links beinahe verdoppelt und auch rechts um 5 kg gesteigert. Das ist eine starke Leistung, auf die sie stolz sein kann.

Therapiebeginn

Therapieende

​Kraftmessung

​Links 6 kg

Rechts 9 kg

​Links 11 kg

Rechts 14 kg

Weitwurf
Kira wird die nächste Weitwurf-Weltmeisterin
Kira wird die nächste Weitwurf-Weltmeisterin

Da ein Fokus der Intensivtherapie auf der Schulung und dem Einsatz beider Hände lag, war Weitwerfen mit einem Ball ein Teil des Sportfests. Sie musste dabei den Ball so weit wie möglich werfen, um die nächste Weitwurf-Weltmeisterin zu werden. Kira konnte den Ball insgesamt 4 Meter weit werfen. Dazu warf sie einmal mit links, einmal rechts und einmal mit beiden Händen.





Motivation für den weiteren Weg

Kira und ihre Mama bei der Urkundenverleihung
Kira und ihre Mama bei der Urkundenverleihung

Für Kira und ihre Mama war diese Woche der optimale Start wieder zuhause zu üben und den Fokus, dass Kira alleinstehen und gehen lernt, wieder zu finden. Die motorischen Verbesserungen sind Motivation für die Familie. Nach der stressigen Zeit des Umzuges nach Österreich und der vielen Unsicherheiten durch die aktuelle Situation in der Ukraine können sie nun mit viel Elan neu in die motorische Entwicklung starten. Beide sind durch die Erfolge und den Spaß in dieser Woche voll motiviert und werden ihren Weg gemeinsam weitergehen. Kiras Mama berichtet zum Abschluss auch, dass Kira ihre Zehen beim Stehen nicht mehr einkrallt und dadurch die Füße besser belasten kann. Nach der Intensivtherapie haben wir von Kiras Mama noch die großartige Nachricht erhalten, dass Kira dank der intensiven Bewegungstherapie für kurze Zeit sogar alleinstehen gelernt hat.

Wir sind stolz und froh, dass wir Kira und ihrer Mama eine gute Zeit bei uns gestalten konnten, in der sie sich viele Tipps und Motivation für zuhause mitnehmen konnten.


Wir wünschen dir alles Gute, tapfere Kira.







Großzügige Spende für Intensivtherapie

Kiras Intensivtherapie im Juli 2022 wurde dank einer großzügigen Spende des Vereins freiraum-europa ermöglicht. freiraum-europa unterstützt vorwiegend Kinder und Jugendliche, die vom Schicksal schwer getroffen wurden. Die positiven Entwicklungen seit der Gründung sind den vielen haupt- und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen von freiraum-europa zu verdanken. freiraum-europa unterstützt im In- und Ausland behinderte Menschen in Notlagen mit Sach- und Geldspenden sowie Beratungs- und Bildungsleistungen. "Es ist uns wichtig, insbesondere dort zu helfen, wo Hilfe am nötigsten ist“.

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