Nach einer komplexen Embolisation und rechts-betonter Hemiparese kämpft sich die 15-jährige mit großer Motivation zurück in den Alltag.
Die heute 15-jährige Emma hatte im Dezember 2020 durch einen Schiunfall ein leichtes Schädel-Hirn Trauma. Dadurch kam es zu einer Gehirnblutung, die von einer bisher noch nicht entdeckten Arteriovenösen Malformation (AVM) verursacht wurde. Dabei handelt es sich um eine angeborene Gefäßfehlbildung im Gehirn. Aufgrund dessen Größe und Lokalisation war es notwendig in mehreren Teilschritten eine Embolisation (künstliche Verschluss von Blutgefäßen) durchzuführen, die die Durchblutung zu diesem Gefäßgeflecht unterbrechen sollte. Da die AVM auch mit Blutgefäßen verbunden war, die Teile des Gehirns versorgen, konnte im Zuge dieser Eingriffe eine Unterbrechung/Unterversorgung mancher Gehirnareale nicht vermieden werden. Dies führte bei Emma zu einer rechts-betonten Hemiparese (Halbseitenlähmung) und einer Schwäche des rechten Beines und Armes. Funktionen des rechten Armes und Beines müssen nun von anderen Gehirnarealen übernommen und motorische Kontrolle neu erlernt werden.
Seither kämpft sich die sportliche Emma, voller Motivation und Willenskraft zurück ins Leben. Nachdem sie selbstständig gehen gelernt hat, im Winter wieder Schifahren war und im Sommer ihre ersten Wanderungen unternommen hat, möchte sie nun auch ihren rechten Arm wieder mehr in den Alltag integrieren.
Im Rahmen einer 2-wöchigen Intensivtherapie im Juni in Graz lag der Fokus darauf dieses Ziel zu erreichen.
Gezielte Physiotherapie
Im Mittelpunkt der Intensivtherapie stand die Aktivierung und Kräftigung des rechten Arms, um ihn vermehrt als Hilfshand im Alltag einsetzen zu können z.B. um selbstständig eine Jacke anziehen zu können. Dafür wurden Übungen in geschlossener Kette, beispielweise im Stütz oder bei Überkopfbewegungen, durchgeführt. Diese Übungen helfen dabei, die Muskulatur im rechten Arm zu aktivieren und zu stärken.
Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Ansteuerung der Unterarmmuskulatur und der Verbesserung der Fingerextension. Dabei wurden Übungen in der stützenden Position durchgeführt, auch in Verbindung mit dem Pablo-Sensor.
Zusätzlich wurden Bewegungen des Handgelenks mit dem Pablo-Multiball geübt, um die Beweglichkeit und Kraft in dieser Region zu verbessern. Das Finger-Hand-Therapiegerät Amadeo kam ebenfalls zum Einsatz, um gezielte Übungen zur Fingerstreckung (Extension) durchzuführen. Amadeo ermöglicht eine passive, assistive und aktive Therapie für einzelne Finger und Daumen. Durch Vibration und automatisierte individuell angepasste Bewegungen arbeitet Amadeo einerseits gezielt an der Verbesserung der Tiefensensibilität und andererseits durch das Lockern und Entspannen der Finger an der Verbesserung der Beweglichkeit der Finger, sowie das isolierte Bewegen der einzelnen Finger.
Neben dem Arm wurde auch das rechte Bein sowie die Becken- und Rumpfmuskulatur aktiviert und gekräftigt. Hierfür wurden verschiedene Übungen eingesetzt wie zum Beispiel Standbeintraining in statischer und dynamischer Form. Dazu kamen Therapiemittel wie die Balance Plattform Tymo oder das Wackelbrett mit dem Pablo-Sensor zum Einsatz. Sprungtraining mit der Sprossenwand war auch Teil der Intensivtherapie.
Zusätzlich wurden Übungen in der stützenden Position, wie Liegestütz an der Therapieliege, Planking oder an der Kletterwand durchgeführt. Auch der Spiele Klassiker Twister wurde in die Therapie eingebaut. Die verschiedenen Übungen stärken spielerisch verschiedenste Muskeln im ganzen Körper.
Gangtraining, Koordination und Gleichgewicht spielten ebenfalls eine wichtige Rolle in der Therapie. Um das Gangbild zu verbessern, wurde Training am Laufband absolviert. Emma übte zum Beispiel Seitschritte zu machen, wobei sie sich nur mit einer Hand am Gehbarren festhielt. Dies konnte sie auch ohne Hilfe der Therapeutin Anna schaffen.
Ein Gehparcours mit unterschiedlichen Hindernissen wurde genutzt, um die Koordination und das Gleichgewicht zu schulen. Während des Gehens wurden gleichzeitig Übungen für die Arme durchgeführt, wie zum Beispiel das Halten eines Tabletts oder eines Hindernishütchens, auf dem ein Ball balanciert wurde. Zudem wurde das Stehen und Sitzen auf labilen Unterlagen wie dem Wackelbrett oder dem Pezziball trainiert. Während dieser Übungen musste Emma Bälle fangen oder abwehren, um das Gleichgewicht zu halten und die Koordination zu fördern.
Die vielfältigen Übungen und Therapiemittel, die im Verlauf der 2-wöchigen Intensivtherapie eingesetzt wurden, trugen maßgeblich zur Aktivierung und Kräftigung des rechten Arms, Beins sowie der Becken- und Rumpfmuskulatur bei. Gleichzeitig wurden das Gangbild, die Koordination und das Gleichgewicht verbessert. Durch den gezielten Einsatz dieser Therapiemethoden konnte Emma tolle Fortschritte erzielen und ihre Mobilität steigern.
Emma gewinnt Selbstständigkeit und verbesserte Beweglichkeit
Emma hat in ihrer 2-wöchigen Intensivtherapie tolle Ziele erreicht, die ihr tägliches Leben nachhaltig verbessern. Sie ist nun in der Lage, ihre Jacke selbstständig anzuziehen. Generell ist am Ende der Intensivtherapie der Einsatz des rechten Armes besser als zu Therapiebeginn, was ihr mehr Freiheit in den Bewegungen des rechten Armes gibt. Ihr Schulterblatt ist bei Bewegungen zudem auch besser stabilisiert und eine leichte Extension der Finger ist möglich.
Darüber hinaus fühlt sich Emma sicherer auf den Beinen und kann ohne Schiene gehen.
Emmas Fortschritte bestätigen auch ihre End-Assessments. Wir nützen Assessments, um objektiv bewerten zu können, ob unsere Klient:innen Fortschritte machen. Um die Assessments für Emma etwas motivierender zu gestalten, haben wir mit ihr am Ende der Therapie ein kleines Sportfest mit eigenem Stempelpass und Urkunde veranstaltet.
Beim Fugl-Meyer Test, ein umfassender Test, der die sensomotorischen Funktionen, die Sensibilität und die Gelenkbeweglichkeit bestimmen kann, konnte Emma ihre Punktzahl von 22 auf 26 steigern, das auf eine verbesserte motorische Funktion hinweist. Im Vergleich zum Therapiestart kann Emma nämlich ihren Unterarm bzw. ihre Handfläche nach oben auf drehen (Supination), hat ein größeres Bewegungsaumaß in der Schulter.
| Therapiebeginn | Therapieende |
Fugl-Meyer Test | 22 erreichte Punkte | 26 erreichte Punkte |
Beim Planking hat sie ihre Zeit von 30 auf 40 Sekunden erhöht, was eine gesteigerte Kraft und Stabilität im Rumpfbereich zeigt.
| Therapiebeginn | Therapieende |
Planking | 30 Sekunden | 40 Sekunden |
Integration in den Alltag
Um die erreichten Ziele zu festigen und weitere Verbesserungen zu erzielen, ist es entscheidend, das Gelernte auch in den Alltag zu integrieren. Emma wird daran arbeiten, ihren rechten Arm vermehrt bei alltäglichen Tätigkeiten einzusetzen, sowohl als Hilfshand zum als auch bei bimanuellen Aufgaben (Stützen und Halten). Zusätzlich soll weiterhin viel Zeit dem Gehen gewidmet werden, um ihre Fähigkeiten in unterschiedlichen Alltagssituationen, Geschwindigkeiten und auf verschiedenen Untergründen zu verbessern. Die gezielten Übungen zur Kräftigung von Arm, Rumpf und Beinen werden weiterhin ein wichtiger Bestandteil ihres Trainings sein.
Die erreichten Therapieziele sind wichtige Schritte auf Emmas Weg zu Stärke und Unabhängigkeit. Emmas zielstrebige Art, ihr Kampfgeist und ihre unerschütterliche Motivation werden ihr dabei helfen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen und weitere Fortschritte zu erzielen. Die Erfolge zeigen, dass mit dem richtigen Einsatz und der richtigen Unterstützung alles möglich ist.
Großzügige Spende für Intensivtherapie
Die Intensivtherapie für Emma im Juni 2023 wurde dank einer großzügigen Spende des Vereins freiraum-europa ermöglicht. freiraum-europa unterstützt vorwiegend Kinder und Jugendliche, die vom Schicksal schwer getroffen wurden. Die positiven Entwicklungen seit der Gründung sind den vielen haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen von freiraum-europa zu verdanken. freiraum-europa unterstützt im In- und Ausland behinderte Menschen in Notlagen mit Sach- und Geldspenden sowie Beratungs- und Bildungsleistungen. "Es ist uns wichtig, insbesondere dort zu helfen, wo Hilfe am nötigsten ist“.
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